Leserbrief zu Beitrag "10-Uhr-Gottesdienst ist ein Auslaufmodell" (AfH 6.9.2023)
Der „10-Uhr-Gottesdienst ist ein Auslaufmodell“ so titelte der Anzeiger für Harlingerland am 6. September 2023 und zitierte dabei Ralf Meister, den Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Als Pastor, der sich zusammen mit vielen Ehrenamtlichen für lebendige Gottesdienste einsetzt, habe ich mich über diese Äußerung meines Landesbischofs sehr geärgert. Denn die meisten Menschen werden eine solche Botschaft verallgemeinern und hören: „der Gottesdienst insgesamt sei ein Auslaufmodell“.
Damit erweist der oberste Kirchenmann seiner Kirche und allen, die sich vor Ort engagieren, einen Bärendienst, auch wenn er das vielleicht nicht beabsichtigt hatte. Es handelt sich auf jeden Fall um eine erhebliche Kommunikationspanne. Weiter wird Ralf Meister zitiert: „Es gibt schon lange eine Glaubwürdigkeitskrise bei den klassischen Formen, in denen wir von Gott erzählen.“ Ich denke dagegen: Das größte Problem bei vielen Gottesdiensten sind nicht in erster Linie die Formen, sondern die Inhalte. Wo es inhaltlich um nichts mehr geht, da interessiert es auch keinen mehr.
In Friedeburg jedenfalls machen wir eine gegenteilige Erfahrung. Der Gottesdienstbesuch ist weiterhin konstant, wenn nicht vielleicht sogar leicht steigend. Und das obwohl (oder vielleicht gerade weil) die meisten Gottesdienste immer noch sonntags um 10:00 Uhr stattfinden.
Ja, es braucht auch neue, zeitgemäße Uhrzeiten und Formate. Darin stimme ich meinem Landesbischof zu. Aber nein, trotzdem ist in jeder Kirchengemeinde eine Konstante nötig, also eine „Uhrzeit“, zu der normalerweise der Gottesdienst stattfindet. Denn eine Konstante bietet Verlässlichkeit und stiftet Gemeinschaft. In den ersten Wochen der Corona-Pandemie, als keine Gottesdienste gefeiert werden durften, haben sich in der Friedeburger Kirche weiterhin um 10:00 Uhr drei Personen zu Andacht und Gebet getroffen. Andere Gemeindemitglieder haben zur gleichen Zeit zu Hause innegehalten. Das hat Gemeinschaft gestiftet, obwohl wir nicht real zusammen waren.
Und nein, digitale Formen, die der Landesbischof ins Feld führt, können niemals ein Ersatz für einen tatsächlich gemeinsam gefeierten Gottesdienst sein. Wir brauchen digitale Formen, um den Zugang zu Kirche, Glaube und Gottesdienst zu erleichtern. Aber das Ziel kirchlichen Handelns muss doch sein, dass Menschen tatsächlich und real zusammenkommen, um gemeinsam die Begegnung mit Gott zu suchen. Das sollte der Bischof einer evangelisch-lutherischen Kirche eigentlich wissen, hat Martin Luther uns doch die „Leiblichkeit“ ist Stammbuch geschrieben. Gott selbst hat schließlich den Menschen nicht nur nette Botschaften aus dem Himmel geschickt, sondern ist tatsächlich und real Mensch geworden. Deshalb ist gerade das Analoge eine große Stärke der Kirche, mit der wir in Zukunft punkten können und punkten werden.
Friedeburger Schützenfest - Fackelumzug am 25.08.2023
Lieber Mitglieder des Schützenvereins und der Freiwilligen Feuerwehr! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Friedeburg! Liebe Gäste!
Wie in jedem Jahr macht der Fackelumzug am ersten Abend des Friedeburger Schützenfestes Halt beim Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Wir erinnern uns an die Soldaten aus Friedeburg, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren haben. Und wir gedenken ebenso der zig Millionen Menschen, die dem Terror der Nationalsozialisten während des Dritten Reiches zum Opfer gefallen sind. – Die Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit ist gleichzeitig eine Mahnung an uns in der Gegenwart, dass wir uns hier und heute für Frieden und Verständigung einsetzen. Eine Mahnung, die angesichts des Krieges in der Ukraine traurige Aktualität gewonnen hat.
Ich will heute Abend allerdings nicht die Vergangenheit oder die Konflikte in anderen Ländern zum Thema machen, sondern unseren Blick lenken auf unsere Gesellschaft in Deutschland. Was können wir in unseren Ortschaften, in unseren Gemeinden, in unserem Land tun für Frieden und Verständigung? – Es gibt eine Entwicklung in unserer Gesellschaft, die ich mit großer Sorge beobachte und die langfristig unser friedliches Miteinander gefährden kann: Wir verlieren die Fähigkeit, miteinander im Gespräch zu sein! Unsere Gesellschaft zerfällt zunehmend in viele kleine oder große Gruppen von Menschen mit jeweils gleichen Interessen oder der gleichen Sicht der Dinge, die sich darin gegenseitig bestärken. Das ist an sich noch nicht schlimm und sicher auch ein Stück weit normal. Viele dieser Gruppen verlieren allerdings mehr und mehr die Fähigkeit, mit anderen Gruppen im Gespräch zu sein und andere Weltsichten als die eigene stehen zu lassen.
Woran mache ich diese mangelnde Gesprächskultur fest? Dazu drei Stichworte: 1) Lautstärke, 2) Abstempeln und 3) Verschwörungstheorien. 1) Lautstärke: statt miteinander im Gespräch die beste Lösung zu suchen, versuchen viele Menschen, andere Meinungen mit schierer Lautstärke (oder medialer Präsenz) zu übertönen, anstatt sich sachlich mit ihnen auseinander zu setzen. Zur Lautstärke gehört ebenfalls das Phänomen des „Shitstorms“ in sozialen Netzwerken, der Versuch, Menschen mit einer anderen Meinung durch schiere Einschüchterung mundtot zu machen. 2)Abstempeln: auch das ist eine beliebte Methode, einem echten Gespräch von vornherein aus dem Weg zu gehen. Statt sich mit einer gegenteiligen Meinung auseinanderzusetzen, wird sie mit einem negativen Stempel versehen: „politisch rechts“ oder „links“, „indeologiegetrieben“, „nicht mehr zeitgemäß“ oder (im Bereich der Kirche) „zu fromm“ oder „zu liberal“. Ein Stempel, der bewirken soll, dass eine Position von vornherein als nicht diskussionswürdig erscheint. 3) Verschwörungstheorien: damit meine ich das Phänomen von in sich geschlossenen Gedankengebäuden, die so verfestigt sind, dass sich deren Anhänger sogar durch gegenteilige Fakten oder anderslautende Erfahrungen nicht mehr von ihrer Sicht der Dinge abbringen lassen.
Ich will aber nicht nur über diese negativen Entwicklungen sprechen, sondern vor allem fragen: Was können wir positiv tun, um zu einer guten Gesprächskultur beizutragen? Ich denke, es sind vor allem zwei Dinge nötig: 1) Wir müssen ernsthaft und offen auf der Sachebene um eine Lösung für die drängenden Probleme der Gegenwart ringen. 2) Von der Sachebene zu unterscheiden sind die Gefühlslagen und Stimmungen in der Gesellschaft. Die unterschiedlichen Sorgen und Ängste der Menschen müssen gehört und stehen gelassen werden – und dürfen nicht (in welcher Form auch immer) abgestempelt werden. Beides, Sachebene und Gefühlslagen, müssen ernst genommen dürfen nicht zu schnell miteinander vermischt werden. Was wir brauchen, sind mehr denn je Menschen, die auf der einen Seite klare Überzeugungen haben, aber auf der anderen Seite eine hohe Gesprächsbereitschaft und Offenheit mitbringen. Unsere Demokratie lebt davon, dass wir miteinander reden, und vor allem, dass wir einander ausreden lassen.
Angesichts der Herausforderungen der Gegenwart möchte ich ein Gebet sprechen:
Lieber Vater im Himmel!
Beende Krieg und Gewalt. Besonders den Krieg in der Ukraine, aber auch die vielen anderen blutigen Konflikte in der Welt. Gebiete denen Einhalt, die Hass und Gewalt verbreiten. Tröste und stärke die, die an Leib und Seele verwundet wurden. Schenke in unserem Land ein neues Miteinander. Du weißt, wie schwierig es oft ist, wirklich miteinander ins Gespräch zu kommen. Öffne Du Ohren und Herzen, dass wir aufeinander hören und voneinander lernen. Amen.
Was haben das Schützenfest und der christliche Glaube gemeinsam? – Ich will es einmal so sagen: „Nur einer kann gewinnen, und trotzdem sind alle Gewinner!“ Was meine ich damit?
Beim Schützenfest ist es vielleicht noch offensichtlich: Das Königsschießen kann nur einer gewinnen. Es kann nur einer die Königswürde erlangen: der mit dem besten Schuss. Und trotzdem können alle mitfeiern. Für das Königshaus von der Damenkönigin bis hin zum Kinderkönig oder zur Kinderkönigin, für den Schützenverein und für den ganzen Ort, für alle sind die fröhlichen Festtage ein großer Gewinn.
Aber wie ist das in Bezug auf den christlichen Glauben? – Gott liebt jeden einzelnen Menschen so, als hätte nur dieser einzelne Mensch den Hauptgewinn gewonnen. Gott stattet jeden einzelnen Menschen mit einer Ehre aus, die viel größer ist als die Königswürde beim Schützenfest, als ob es nur diesen einzelnen Menschen geben würde. Und Jesus hat die Schuld jedes einzelnen Menschen am Kreuz getragen, auch wenn es nur diesen einzelnen Menschen gegeben hätte. Gott liebt jeden Menschen „exklusiv“ und doch gilt diese seine Liebe allen Menschen. Was bei Menschen unmöglich wäre, das ist bei Gott möglich!
Und noch etwas haben das Schützenfest und der christliche Glaube gemeinsam: „Man muss hingehen und den Gewinn einlösen.“ Beim Schützenfest muss man mitfeiern – im abwechslungsreichen Programm ist für jeden und jede etwas dabei. Auch im Glauben muss man „hingehen“ – und damit meine ich jetzt nicht in erster Linie die Gottesdienste oder anderen Veranstaltungen der Kirchengemeinde, sondern Gott selbst. Man muss hingehen zu ihm, ihm das Herz öffnen, ihn um Vergebung bitten, sich von ihm lieben lassen.
„Nur einer kann gewinnen, und trotzdem sind alle Gewinner!“ In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen ein fröhliches Schützenfest 2023.
Stell dir vor: Dein bester Freud oder deine beste Freundin zieht an einen weit entfernten Ort. In unserer Zeit ist es zwar möglich, auch über große Entfernungen miteinander in Kontakt zu bleiben, aber das ist nicht das gleiche. Ihr werdet euch nicht mehr so oft sehen und nicht mehr so häufig gemeinsam etwas unternehmen können. Du möchtest deshalb deinem Freund oder deiner Freundin ein Abschiedsgeschenk machen, das noch einmal eure Freundschaft mit „mehr als Worten sagen können“ zum Ausdruck bringt und das deinen Freund oder deiner Freundin bleibend an dich erinnert. Was würdest du schenken?
Diese Frage stelle ich meinen Konfirmandinnen und Konfirmanden, wenn wir im Unterricht das Thema Abendmahl behandeln. Denn auch Jesus hat seinen Jüngern ein Abschiedsgeschenk gemacht, als er wusste, dass er sich von ihnen verabschieden muss: Er hat mit ihnen das Abendmahl gefeiert. Eigentlich war es ein jüdisches Fest, das er mit seinen Jüngern beging, aber Jesus hat Brot und Wein mit seinem persönlichen Schicksal, mit seiner freiwilligen Lebenshingabe am Kreuz in Verbindung gebracht. Außerdem hat er seinen Jüngern aufgetragen, das Abendmahl immer wieder miteinander zu feiern, auch dann, wenn er nicht mehr sichtbar bei ihnen ist.
Seit dem ersten Abendmahl streiten sich die gelehrten Theologen darüber, was genau beim Abendmahl passiert oder wie genau das Abendmahl zu verstehen ist. Wichtig ist vor allem: Das Abendmahl stärkt unsere Verbindung mit Jesus. Denn zum einen ist Jesus bei uns, wenn wir das Abendmahl feiern, zwar unsichtbar, aber doch real. Er ist der eigentliche Gastgeber, wir seine Gäste. Und zum anderen kommt Jesus uns in Brot und Wein (oder Traubensaft) sichtbar und fühlbar nah. So wie wir Brot und Wein in uns aufnehmen, so nehmen wir Jesus buchstäblich in uns auf, damit er jede Faser unseres Lebens durchdringt.
Während der Corona-Zeit wurde das Abendmahl an vielen Orten, so auch in Friedeburg, nur noch selten oder teilweise gar nicht mehr gefeiert. Darum lassen Sie uns jetzt umso häufiger und umso intensiver durch das Feiern des Abendmahls unsere Verbindung mit Jesus stärken.
(Anzeiger für Harlingerland - Ausgabe vom 29.07.2023)