Wort zum Sonntag (Anzeiger für Harlingerland, 19.11.):
Normalerweise beschäftigt sich das Wort zum Sonntag mit dem kommenden Sonntag. Ich will heute einmal mit dieser Regel brechen und den vergangenen Sonntag zum Thema machen. Am letzten Sonntag, dem Volkstrauertag, standen das Gedenken an die Opfer von Krieg und Gewalt und die Mahnung zum Frieden im Mittelpunkt. Überall im Harlingerland fanden Gedenkveranstaltungen an den Ehrenmälern statt. Die Anliegen des Volkstrauertages sind angesichts des Krieges in der Ukraine, der mittlerweile schon fast neun Monate andauert, leider so aktuell wie schon lange nicht mehr. In vielen Ansprachen und Gebeten standen nicht zuletzt die Opfer dieses blutigen Konflikts im Mittelpunkt. Trotzdem waren die Gedenkveranstaltungen erschreckend schlecht besucht. Selbstverständlich kann ich nur für Friedeburg sprechen. Aber auch aus anderen Ortschaften habe ich von einer „nur geringen“ Beteiligung gehört.
Man könnte argumentieren, dass der Erste und Zweite Weltkrieg mittlerweile lange zurückliegen und dass die Solidarität mit den Opfern von Krieg und Gewalt in der Gegenwart andere Formen gefunden hat. Trotzdem finde ich es schade, dass ein über Jahrzehnte geprägter Tag, der das Gedenken und Erinnern in den Mittelpunkt stellt, mittlerweile so wenig Rückhalt in unserer Gesellschaft hat. Mehr noch: Ich finde es erschreckend, dass ein anderer Tag im Herbst, Halloween, der über Jahrzehnte eigentlich überhaupt keine Rolle gespielt hat, mittlerweile einen regelrechten Hype erfährt. Provokant gefragt: Was wirft das für ein Licht auf unsere Gesellschaft, in der das Fest des Gruselns und Grauens derart Anklang findet, das Gedenken an die reellen Schrecken der Vergangenheit und Gegenwart aber niemanden mehr vom Hocker reißt? Ist es wirklich eine Auszeichnung, den Titel „Gruselhauptstadt Ostfrieslands“ zu tragen? Oder warum prämiert der Harlinger nur die schaurigsten Kostüme an Halloween? Warum nicht auch den schönsten Kranz oder die würdigste Gedenkveranstaltung am Volkstrauertag?
Im Harlinger war letzten Montag zu lesen, dass in Großbritannien am „Rememberance Sunday“, der am gleichen Tag wie der deutsche Volkstrauertag begangen wird, landesweit um 11:00 Uhr zwei Schweigeminuten eingehalten werden. Würde eine ähnliche Form nicht auch unserem Land gut zu Gesicht stehen, von dem im 20. Jahrhundert so viel Leid und Unrecht ausgegangen sind?
Ansprache am Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges (im Rahmen des Fackelumzugs beim Schützenfest 2022)
Liebe Mitglieder des Schützenvereins und der Freiwilligen Feuerwehr! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Friedeburg! Liebe Gäste!
Der Fackelumzug macht Halt am Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. Hier halten wir inne und gedenken der Männer aus Friedeburg, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg als Soldaten gefallen sind. Wir gedenken ebenso aller Menschen in Deutschland, Europa und der ganzen Welt, die dem Terror der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. In den letzten Jahren war dieses Gedenken eher ein Erinnern an die Schatten der Vergangenheit. In diesem Jahr erhält es durch den Krieg in der Ukraine eine neue Brisanz und Aktualität.
Anfang des Jahres ist passiert, was die meistens von uns nicht für möglich gehalten hätten: Ein Land in Europa greift sein Nachbarland an, weil ihm seine politische Ausrichtung nicht passt, weil es sich dadurch bedroht fühlt. Jahrzehntelang waren wir daran gewöhnt, dass Konflikte in Europa mit friedlichen Mitteln gelöst werden. Plötzlich sind militärische Gewalt und Krieg wieder Mittel der Wahl. Auch in unserem Land hat das zu einem Umdenken geführt. Gegen militärische Aggression, wie wir sie in der Ukraine erleben, scheint nur das Stärken der eigenen Verteidigungsfähigkeit zu helfen.
Unzählbar viele Menschen sind diesem blutigen Konflikt schon zum Opfer gefallen – auf beiden Seiten; haben ihr Leben, ihr Hab und Gut, ihre Heimat, ihre Zukunft verloren. Was mich zusätzlich zu dem unsagbaren Leid erschüttert ist der Kampf um die Deutung des Geschehens, der Kampf um Wahrheit und Lüge. Nach dem Abzug der russischen Truppen aus der Region Kiew wurden schreckliche Kriegsverbrechen entdeckt. Doch Russland behauptete: Das war nur eine Inszenierung der Ukraine, um dem Ansehen Russlands zu schaden. Es wurde ein Gefängnis bombardiert, in dem ukrainische Kriegsgefangene interniert waren. Die Ukraine sagt: das war Russland. Russland dagegen beschuldigt die Ukraine. Zwei Behauptungen, die nicht beide wahr sein können. Aber was ist Lüge? Und was ist Wahrheit? Von außen können wir es nicht überprüfen. Ich bin deshalb skeptisch gegenüber voreiligen Schlüssen und Verurteilungen. Aber ich bin ebenfalls skeptisch der Kriegspartei gegenüber, die Anfang des Jahres „nur“ von militärischen Übungen an der Grenze zur Ukraine sprach und wenige Tage später das Nachbarland angriff.
Ich weiß auf den Krieg in der Ukraine – und die vielen Fragen, die damit verbunden sind, keine Antwort. Deswegen möchte ich an dieser Stelle nicht weiter über Krieg und Frieden nachdenken, sondern für den Frieden beten:
Treuer und Barmherziger Gott, wir bitten Dich um Frieden in der Ukraine und an den vielen anderen Krisenherden dieser Welt.
Gebiete denen Einhalt, die Hass und Gewalt verbreiten.
Stärke alle, die sich nach Frieden sehnen und die den Frieden suchen.
Stelle Wahrheit als Wahrheit und Lüge als Lüge heraus,
so das Recht wieder Recht und Unrecht wieder Unrecht genannt wird.
Tröste alle, die liebe Menschen verloren haben
oder deren Hab und Gut, Heimat oder Zukunft zerstört wurden
Heile die Wunden an Leib und Seele.
Ich danke Dir für alle Menschen in Politik und Gesellschaft,
die in diesen schwierigen Zeiten Verantwortung übernehmen.
Stärke sie. Schenke ihnen Weisheit und Mut für umsichtige Entscheidungen.
Gebiete den radikalen Kräften auch bei uns Einhalt.
"Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und die Feste verkündigt seiner Hände Werk." Psalm 19,2
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