© Jörg Janköster

"Offenbar werden" - Wort zum Volkstrauertag

Tue, 16 Nov 2021 16:55:02 +0000 von Jörg Janköster

© Jörg Janköster
„Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ (2. Korinther 5,10a) So lautet der Wochenspruch für den Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres und damit auch für den Volkstrauertag. Wie geht es Ihnen mit dieser Vorstellung vom „Jüngsten Gericht“? Was denken Sie in Bezug auf die Aussage der Bibel, dass sich einmal alle Menschen vor Gott dafür verantworten müssen, wie sie ihr Leben auf der Erde gelebt haben?

Am Volkstrauertag bekommt dieser Bibelvers noch einen weiteren Klang. Am zweiten Sonntag im November erinnern wir uns an die Gefallenen der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts und ebenfalls an alle Opfer, die durch den Gräueltaten der Nationalsozialisten ihr Leben verloren haben. Die Zahl der Menschen, die den Zweiten Weltkrieg oder die Nachkriegsjahre miterlebt haben, wird weniger. Und doch sind die Schrecken dieser Jahre in vielen Familien noch präsent. Vielleicht mussten Sie ohne Ihren Vater aufwachsen, weil dieser nicht aus dem Krieg heimgekehrt ist. Oder aber er ist nach Krieg und Gefangenschaft wieder nach Hause gekommen, hat aber nie über seine Erfahrungen geredet? Vielleicht haben Sie oder Ihre Eltern durch Flucht und Vertreibung die alte Heimat verloren und mussten in der Fremde neu anfangen? Vielleicht haben Ihre Eltern oder Großeltern die Bombenangriffe in einem Bunker miterlebt? Alle diese Erfahrungen prägen nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch deren Familien. Gerade die negativen Erfahrungen, die nie ausgesprochen wurden, wirken oft über Generationen.

„Offenbar werden“ heißt in diesem Zusammenhang so viel wie „darüber reden“ oder „ans Licht kommen“. Auch wenn es vielleicht schwerfällt, genau das kann heilsam sein. Denn die Schrecken, die nicht mehr schweigend im Raum stehen, sondern ausgesprochen werden und Worte bekommen, verlieren einen Teil ihrer Macht.

Deshalb nutzen Sie den morgigen Sonntag dazu, in Ihrer Familie über diese Zeiten ins Gespräch zu kommen. Wenn Sie die Kriegs- und Nachkriegsjahre selbst miterlebt haben, erzählen Sie von Ihren Erfahrungen. Oder, wenn das alles weit vor Ihrer Geburt passiert ist, dann fragen Sie nach bei Ihren Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern. Denn was „offenbar“ wird, das kann heil werden und seinen Schrecken verlieren.
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